Literatur im Schnittpunkt von Himmel und Erde Home

Mein Himmel Kein Himmel

Klappentext Umschlag:

Im Gehen durch das Holocaust-Mahnmal Berlin kommt das Verstehen an kein Ende. Es brechen Fragen auf, kollektive und individuelle Schichten der Geschichte.
In einem Verwandlungsprozess schreibt die Autorin poetisch verdichtete Texte, die auf den Punkt bringen, was einleuchtet. Ein Licht, das zwischen den dunklen Stelen aufgeht, setzt Einsichten frei.

Es kann kein Himmel sein, wenn einer mein sagt. Und schon gar nicht, wenn andere unter diesem Himmel vom Recht auf Leben ausgeschlossen werden. Auf Erden? Ist hier ein Ort für Entwicklung? Mit diesem Gedanken beginnt für die Autorin ein Prozess im Holocaust-Mahnmal Berlin: Im Gehen durch die begehbare Skulptur des Architekten Peter Eisenmann entstehen 2005–2008 Gedichte und aphoristische Texte. Es wird auf den Punkt gebracht, was einleuchtet. Ein Licht, das zwischen den dunklen Stelen aufgeht, setzt Einsichten frei.

Fragen, die nicht aufhören – zu denen wir gehören? Die Schichten der Geschichte wirken: politisch im Grossen, persönlich im Kleinen, im Feinen, im Groben, kollektiv und individuell. Was ist das Allgemeine, das Universelle im Menschsein?

Der besondere Fall des Holocaust ruft eine Suche hervor – vielleicht in dem Sinne, wie Imre Kertész als Autor und Überlebender davon spricht, dass der Holocaust Werte schaffe; und dass nach Auschwitz nur noch Gedichte geschrieben werden können – über diese Geschichte. Anders das Diktum Adornos: Danach keine Gedichte mehr.

Welches Verstehen bleibt offen in der verdichteten Form? Im Bauen des Mahnmals? Im Formulieren eines Vertrauens? Wo der suchende Prozess nicht aufhört, schliessen die Gedichte nichts ab. Sie setzen sich den Gegensätzen und Paradoxien aus. Sie bringen nichts endgültig auf den Begriff. Vor diesem Zugriff aufs Leben, vor der massenhaften Vernichtung, steht auch die Poesie am Abgrund. Sie baut Wort für Wort an einem Geländer, das „ins Offene“ führt. Hoffen – eine Möglichkeit der Kunst?

In diesem Sinne begleitet ein grafischer Verwandlungs-prozess die Texte: Er steht für die Überwindung des Dunklen, für das Durchdringen der Vordergründe und Hintergründe, bis nahezu die Umkehr ins Helle, ins Klare vollzogen ist – in sechs Phasen. Kein siebtes Bild, kein siebter Tag als Ruhetag wie im Schöpfungsmythos. Das Raster geht durch, der Grundriss des Mahnmals läuft endlos den Zeilen entlang.

Uferlos scheinen die Wege in wiederholter Strenge und Enge des Mahnmals. In den Variationen rationaler Begrenzung wird ein Ausbrechen hervorgerufen, ein Aufbrechen der Fragen: Was hält eine Gemeinschaft zusammen? Wo fängt Trennung an – mit Nennung des Namens, der eigenen Rasse oder Klasse, Nation oder Religion? Mit dem Bekennen der eigenen Grösse, die dazu drängt, den anderen klein zu machen? Was macht Geschichte? Mit wem? Was treibt uns und vertreibt keine anderen? Kann die verwundete Geschichte heilen? Kann sich Verwandlung mitteilen in einer Form, in der wir selbst zu einer Information werden – durch Handlungen? Verantwortlich an Ort und Stelle, an Wort und Stelle der Vorstellungskraft?

In chronologischer Abfolge des Entstehens lassen die Texte ein bewegendes, spannungs-volles und auch ruhiges Verstehen spürbar werden. Ansatzweise. Sie versuchen, ein Vertrauen ins Humane aufzubauen. Zum 9. November 2008 macht die Autorin eine Zäsur: 70 Jahre nach der Reichskristallnacht, fast 20 Jahre nach dem Mauerfall. Ankunft in welcher Zukunft?